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Working Out Loud - Trend oder Hype?

09.01.2018 • Holger Nauheimer

Haben Sie sich nicht auch schon gewundert, warum jetzt alle Ihre Social Media Kontakte plötzlich glauben, laut arbeiten zu müssen? Gleicht der Lärmpegel in modernen Großraumbüros nicht ohnehin schon dem eines orientalischen Basars? Schwappt die Fake-Real-TV-Welle jetzt ins moderne Arbeitsleben? Muss sich jetzt plötzlich jeder öffentlich zur Schau stellen?

Working Out Loud wird übereinstimmend als der wichtigste Management-Trend der letzten 12 Monate bezeichnet. Es gibt kaum ein DAX-Unternehmen, das nicht schon auf diesen Zug aufgesprungen ist, und, im Sinne des Erfinders, laut und breit darüber auf Twitter, Facebook und LinkedIn berichtet. Kaum eine relevante Business-Konferenz, in der nicht über #WoL gesprochen wird. 

Für den Fall, dass Sie noch nicht von diesem Trend (Hype?) erfasst worden sind, möchte ich Ihnen gerne meine Sicht der Dinge schildern und Ihnen eine kurze Einführung in die Methode geben. 

Worum geht es bei #WoL?

#WoL ist eine von John Stepper, einem langjährigen Manager der Deutschen Bank, entwickelte Methode, mit deren Hilfe man sich mit Gleichgesinnten vernetzt, um so die Wirksamkeit seiner Tätigkeit zu vergrößern und sich damit selbst gesteckten Zielen anzunähern. 

Warum fliegen so viele Unternehmen auf #WoL?

Selten hat es eine neue Methode so schnell in die verschiedenen Etagen von Unternehmen geschafft. Deutschland scheint hier, wie so oft im Bereich der Organisationsentwicklung, Trendsetter zu sein. Das mag die folgenden Gründe haben:

#WoL passt in das größere Bild der digitalen Transformation, welche als Megatrend die Unternehmenswelt erfasst hat. Die gleichen Unternehmen, die gerade breitflächig agile Arbeits- und Managementmethoden einführen, sind auch auf den #WoL-Zug aufgesprungen. Das beruht auf der Erkenntnis, dass in hierarchiebereinigten oder -verschlankten Systemen der freie Austausch von Information wichtig ist. Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse werden dadurch beschleunigt und die allseits beklagte Silomentalität wirksam bekämpft. Für mich löst #WoL das alte Versprechen der Knowledge Management Bewegung ein, an das schon so lange keiner mehr geglaubt hat. Bisher musste man Mitarbeiter zum Jagen, d.h. zum offenen Teilen von Wissen, tragen - mit #WoL machen sie es freiwillig und mit Freude.

Damit ist das Potential von #WoL aber noch nicht ausgeschöpft. Ein weiterer Trend, der gerade an unsere Türen klopft (und den die Berlin Change Days 2018 zum Thema machen werden) ist der unternehmens(weite) Aktivismus. Noch gibt es diesen Begriff nicht im deutschen Sprachgebrauch; im englischen kommt er als corporate activism daher und wird auch unterschiedlich definiert - einmal als erweiterte Corporate Social Responsibility, auf der anderen Seite als Graswurzelrevolution, oder, milder gesagt, als das Wachsen unternehmerischer Verantwortung von Mitarbeitern.

Und diejenigen, die sich #WoL verschrieben haben, sehen schnelle persönliche Erfolge in ihrer Postion. So berichtet ein befreundeter Manager eines DAX-Konzerns, dass er mit wesentlich mehr Menschen im Unternehmen vernetzt ist als sein CEO. Und dass im gleichen Unternehmen die ersten Beförderungen auf Basis des Vernetzungsgrades passieren...

Wie funktioniert es?

Auf der Webseite und im gleichnamigen Buch wird ein zwölfwöchiges Lernprogramm beschrieben, das hier nur in groben Schritten beschrieben werden soll. Idealerweise - auch zur Kontrolle des eigenen Lernerfolgs - wird dieser Zyklus mit Hilfe einer Gruppe Gleichgesinnter begleitet. Man beginnt mit der Definition eines Zieles, das man in 12 Wochen erreichen möchte. Die Zieldefinition steht ja zu Beginn vieler systemischer Coachingmethoden. Der Unterschied bei #WoL ist allerdings, dass empfohlen wird, das Ziel flexibel zu handhaben und wenn nötig von Woche zu Woche anzupassen. Auch wenn das Ziel eine gewisse Bedeutung hat, so ist es hier mehr Mittel zum Zweck, da es eine Richtschnur und Ausgangsbasis für den Lernprozess bietet.

Dann beginnt man Ausschau zu halten nach Menschen, die bei der Erreichung des Zieles hilfreich sein können. Dies können Kolleginnen im eigenen Unternehmen sein, aber die Suche nach Verbündeten erstreckt sich über den eigenen Horizont hinaus. Wer hat zu meinem Thema etwas zu sagen? Wer schreibt regelmäßig auf den Sozialen Medien zu Fragen, die mich bewegen? 

Schritt für Schritt beginnt man, zu ausgewählten Personen eine Beziehung aufzubauen. Was mir gefällt ist, dass dieser Prozess nicht nur utilitaristisch, d.h. auf meine eigenen Zwecke ausgerichtet ist. Man lernt, sich mit anderen Menschen, die man noch nicht kennt, und mit ihrer Sichtweise intensiv zu beschäftigen. Man spricht authentische Wertschätzung aus. Und man lernt (wenn man es vorher noch nicht beherrscht hat), verschiedenste elektronischen Medien (Email, Twitter, Facebook, LinkedIn etc.) effektiv aber ohne zudringlich zu sein, zu nutzen.

Schließlich taucht man ein in die Welt der sozialen Medien und beginnt fruchtbare Diskussionen über Themen, für die man brennt. Man gründet neue Initiativen, über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg. Idealerweise führt der Zwölf-Wochen-Zyklus dazu, dass man beginnt zu bloggen - oder wie ich sich zu Herzen nimmt, die bestehende Bloggerexistenz zur neuen Blüte zu bringen.

Bleibt die Frage, ob wir durch Working Out Loud zu einem Volk der Bloggerpoeten werden.

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